Aktuelle Lehrveranstaltungen aller Lehrender des Philosophischen Seminars

Zugänge zum Judentum – Lehrtag 2021, in Kooperation mit dem Förderverein Synagoge Mainz-Weisenau e.V. und der Jüdischen Gemeinde Mainz

Dozent:innen: Univ.-Prof. Dr. Mechthild Dreyer; Dr. Anke Joisten-Pruschke; Univ.-Prof. Dr. Dieter Lamping; PD Dr. habil. Peter Waldmann
Kurzname: Zugänge zum Judentum
Kurs-Nr.: 05.127.998
Kurstyp: Workshop
Format: hybrid

Voraussetzungen / Organisatorisches

Die Veranstaltung will auf der Grundlage verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen Fragen zur Religion, Philosophie und Kultur des Judentums thematisieren. Im Rahmen von vier Lehreinheiten aus Philosophie, Theologie, Vergleichender Literaturwissenschaft sowie Sozialwissenschaft sollen auf diese Weise verschiedene Perspektiven auf das Judentum erarbeitet werden.

Termine:
Vorbesprechung: 07.01.2021, 11:00 – 12:00 Uhr (Raum: P11)
Lehrtag 2021: 10.03.2021, 11:00 – 16:00 Uhr (Raum: P204)

Inhalt

Die vier Einheiten (I-IV) umfassen jeweils 45 Minuten und gliedern sich in Vortrag mit anschließender ausführlicher Diskussion. Im Mittelpunkt jeder Einheit werden ausgewählte Texte stehen.

I. Franz Kafka: Ein Schriftsteller auf der Suche nach dem Judentum (Referent: Univ.-Prof. Dr. Dieter Lamping):
Franz Kafka entstammte einer Familie zumeist assimilierter deutschsprachiger böhmischer Juden. Deshalb wird er oft als jüdischer Schriftsteller bezeichnet. Aber erst als er 28 Jahre alt war, begann er sich für das Judentum zu interessieren: Im Winter 1911/12, als eine jiddische Schauspielertruppe in Prag gastierte. Durch sie kam er mit ostjüdischer Kultur und Religiosität in Berührung. Seine Gespräche vor allem mit dem Leiter der Truppe und seine Lektüren gehören zu den frühesten Versuchen deutschsprachiger Juden im 20. Jahrhundert, einen neuen, eigenen Zugang zum Judentum zu finden. Kafkas wechselvolle Suche nach einer jüdische Identität ist vor allem in seinem Tagebuch dokumentiert, auf das sich die Lektüre im Seminar konzentrieren soll.

II. Die entfremdete Tradition, oder Juden in der Soziologie (Referent: PD. Dr. Peter Waldmann):
Von René König ist uns folgende Anekdote aus den 20iger Jahren des vorherigen Jahrhunderts überliefert: „Jetzt weiß ich wenigstens, was Soziologie ist! Soziologie ist eine jüdische Sekte!" René König möchte die Anekdote sicherlich als anerkennendes Kompliment an seine jüdischen Kollegen verstanden wissen und betonen, welchen Verlust die Geisteswissenschaften durch die Ermordung und erzwungene Emigration jüdischer Intellektueller erlitten hat. Diese gutgemeinte Anekdote lässt sich aber auch despektierlich und antisemitisch deuten. Denn was hat die Soziologie als Wissenschaft mit dem Umstand zu tun, dass viele ihrer Vertreter jüdischer Herkunft waren? Diese Frage stellt sich um so mehr, da viele jüdische Soziologen von ihrer Herkunft und religiösen Tradition entfremdet waren. Dass der Umstand der jüdischen Herkunft dennoch erkenntnisreich sein könnte, wäre nur durch eine Bedingung zu begründen: Die jüdische Existenzweise prädestiniert in irgendeiner Weise dazu, einen soziologischen Blick auf die Welt auszubilden.

III. Titel: Begegnung von Judentum und Christentum – ein Lernen mit Israel (Referentin: Dr. Anke Joisten-Pruschke):
Christentum und Judentum haben in den Jahrzehnten nach der Shoa ein neues Aufeinander zugehen gelernt. Durch die Begegnung mit dem Judentum hat sich die Art und Weise, in der wir die Hebräische Bibel (Tenak) und das Neue Testament lesen verändert. Rabbinisches Denken und Schriftauslegung in Midrasch und Talmud hat in Bezug auf die Texte der Hebräischen Bibel, des Neuen Testaments und in Bezug auf die Person Jesu vieles neu verstehen lernen lassen. Was das Neue ist, gilt es zu skizzieren. Gleichzeitig ringen wir heute um eine christliche Theologie, die in ihrem Denken und ihren Aussagen nicht nur verstrickt ist in eine 2000jährige Geschichte der Judenverachtung, sondern sie selbst mit hervorgebracht hat. Nach sieben Jahrzehnten intensiver christlich-jüdischer Forschung werden einerseits die kritischen Punkte theologischen Denkens im christlich-jüdischen Dialog aufgezeigt andererseits aber auch neue Perspektiven für das theologische Denken dargestellt werden.

IV. Geisel sein für den Anderen: Zur Philosophie von Emmanuel Levinas (Referentin: Univ.-Prof. Dr. Mechthild Deyer):
Emmanuel Levinas (1905/06-1995) ghört zu den großen jüdischen Philosophen des 20. Jhs. Beeinflusst von Edmund Husserl und Martin Heidgger und zugleich in kritischer Auseinandersetzung mit ihnen entwickelt Levinas einen philosophischen Ansatz, der intensiv diskutiert worden ist. Ausgangspunkt und Grundlage aller Philosophie sind nach seiner Überzeugung nicht Erkenntniskritik oder Metaphysik, sondern die unbedingte Beanspruchung des Menschen durch den Anderen (Menschen) ist. Indem der Mensch sich zu dieser Beanspruchung und zu sich selbst als vom Anderen unbedingt Beanspruchten verhält wird er Subjekt. Damit ist die Basis gegeben, auf der allererst eine Ethik aufbauen kann. Anhand ausgewählter Texte aus dem Werk von Levinas soll dieser Ausgangspunkt seines Denkens rekonstruiert werden.

 

Termine

Datum (Wochentag) Zeit Ort
07.01.2021 (Donnerstag) 11:00 - 13:00 00 461 P11
1141 - Philosophisches Seminargebäude
10.03.2021 (Mittwoch) 11:00 - 16:00 02 431 P204
1141 - Philosophisches Seminargebäude