Aktuelle Lehrveranstaltungen aller Lehrender des Philosophischen Seminars

(Koll/OS) Petrus Damiani, De divina omnipotentia und das Problem der Kontingenz

Dozent:innen: PD Dr. Dr. Stefan Seit
Kurzname: Koll/OS Petrus
Kurs-Nr.: 05.127.445
Kurstyp: Kolloquium

Voraussetzungen / Organisatorisches

ALLGEMEINE Hinweise zur Durchführung der Veranstaltungen im Bereich Ältere Philosophiegeschichte
Ob, in welchem Umfang und in welcher Form im WiSe 2021/22 wieder Lehrveranstaltungen „vor Ort" auf dem Campus der JGU stattfinden können werden, ist trotz der derzeit (Juni 2021) günstigen Entwicklung der Infektionslage leider noch nicht absehbar. Wir haben deshalb sicherheitshalber ein Präsenzsemester geplant und hoffen sehr, diese Planungen auch umsetzen zu können, müssen uns aber Änderungen vorbehalten – möglicherweise des gesamten Veranstaltungskonzeptes. Sollte die Situation nicht rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn völlig eindeutig sein, werden wir Ihnen digitale Angebote machen, die Sie auch nutzen können, wenn Sie (noch) nicht wieder in Mainz ein werden.

In jedem Fall werden sämtliche Veranstaltungen des Arbeitsbereichs synchron zu den angegebenen Zeiten stattfinden. Sollten die Veranstaltungen erneut digital durchgeführt werden müssen, werden Video-Aufzeichnungen sicherstellen, dass Sie auch unter ungünstigen technischen Voraussetzungen aktiv teilnehmen können.

Materialien, Videokonferenzen, Aufzeichnungen und Aufgaben, die Sie in freier Zeiteinteilung bearbeiten können, werden über Moodle-Kurse koordiniert werden, zu denen die über Jogustine angemeldeten Studierenden automatisch Zugang haben. Bitte machen Sie sich möglichst vor dem ersten Veranstaltungstermin mit dem Moodle-Kurs und den dort angebotenen Materialien und Hinweisen vertraut. Stellen Sie außerdem sicher, dass Sie über Ihr universitäres Mailkonto ohne Verzögerung erreichbar sind, damit wir Sie über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden halten können.

SPEZIFISCHE Hinweise zu dieser Lehrveranstaltung

Kenntnisse der griechischen bzw. lateinischen Sprache werden nicht vorausgesetzt, sind aber durchaus willkommen. Erwartet werden mindestens grundlegende Kenntnisse der antiken und spätantiken Philosophie; Kenntnisse der Geschichte des 11. Jh.s („Gregorianische Reformen“, „Investitursteit“) werden ebenfalls begrüßt.
Im Zentrum steht die intensive gemeinsame Arbeit an den Quellentexten. Im Rahmen der technischen und organisatorischen Möglichkeiten können und sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Kurzreferate übernehmen.

Empfohlene Literatur

Bitte beschaffen Sie sich, wenn möglich, vor Veranstaltungsbeginn
PETRUS DAMIANI: Über die göttliche Allmacht/De divina omnipotentia. Lateinisch-deutsch. Übersetzt und eingeleitet von Peter Nickl. Freiburg u.a.: Herder, 2019 (HBPhMA 46).

Die im Seminar behandelten Quellentexte werden den Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Laufe der Veranstaltung zur Verfügung gestellt. In Grenzen können besondere Interessen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Quellenauswahl berücksichtigt werden. Darüber hinaus werden Hinweise zur Forschungsliteratur gegeben.
Gelesen werden nur solche Texte, die in Übersetzung vorliegen.

Inhalt

Im OS/KOLL des vergangenen Sommersemesters war Alexanders von Aphrodisias (um 200 n.Chr.) Schrift „De fato“ Gegenstand; als systematischen Kern dieser Schrift haben wir den Versuch ausfindig gemacht, im Horizont der aristotelischen Naturphilosophie einen Kontingenzbegriff („das, was auch nicht sein kann“) zu entwickeln, mit dessen Hilfe einem menschliche Freiheit negierenden Naturnezessitarismus Widerstand geleistet werden kann, wie ihn Alexander der Stoa zuschreibt.
Obwohl ein solcher Zusammenhang auf den ersten Blick einigermaßen fern liegt, setzt die Thematik des aktuellen OS/KOLL diese Diskussion fort. (Das heißt aber nicht, dass Sie am letztsemestrigen Kolloquium teilgenommen haben sollten, wenn Sie diese Veranstaltung belegen möchten!)
Bei unserem nicht sehr umfangreichen Quellentext handelt es sich formal um einen Brief des Kardinals Petrus Damiani (ca. 1006-1072) an Abt Desiderius und den Konvent des Klosters Montecassino, aus dem die berühmt gewordene Wendung stammt, die Philosophie bzw. die Dialektik sei „Magd der Theologie“, und in dem ein Tischgespräch aufgenommen und weitergeführt wird. Thema war und ist die spitzfindig und/oder frömmlerisch erscheinende Frage, „ob Gott“ – in seiner Allmacht – „einmal Geschehenes nachträglich nicht geschehen machen“ könne. Gemeint ist nicht etwa lediglich die Beseitigung aller (künftigen) Folgen eines Ereignisses – das wäre eine harmlose Form von Allmacht –, sondern des Ereignisses selbst, obwohl es doch tatsächlich stattgefunden hat. Der zweite Blick macht deutlich, dass es tatsächlich um ein Problem geht, mit dem Petrus als vermeintlich konservativ-theologischer Vertreter de Kirchenreform üblicherweise in Verbindung gebracht wird: die Reichweite der Logik bzw. die Frage, ob Gott selbst und also theologische Aussagen den Regeln der Logik unterlägen: Ist Petrus Damiani tatsächlich ein konservativ-theologischer Antidialektiker, der Gott zu einer bloßen Sache des Glaubens erklären will, angesichts dessen die Vernunft zu schweigen habe?
Die noch etwas genauere Betrachtung macht das eigentliche philosophische Problem im Hintergrund erkennbar: Wie Verhalten sich Kontingenz und logische Notwendigkeit zueinander? „De divina omnipotentia“ erweist sich somit als wichtige Station der Geschichte des Kontingenzbegriffs, und die Verwandtschaft mit Alexander von Aphrodisias ist unübersehbar, – obgleich Petrus weder „De fato“ noch auch nur die aristotelische „Physik“ direkt kannte. (Vgl. zur „Wiederentdeckung“ der aristotelischen Philosophie meine Vorlesung sowie das Proseminar zur Vorlesung!) Die denkgeschichtliche Brücke zur peripatetischen Diskussion um „das, was auch nicht sein kann“, bildet vielmehr Boethius‘ „De consolatione philosophiae“; bereits Boethius schlägt vor, den vermeintlichen Widerspruch zwischen Freiheit und Notwendigkeit, Kontingenz und göttlichem „Vorher-Wissen“ durch die Unterscheidung von ratio und intelligentia, diskursiver Vernunfterkenntnis und der intuitiv-überzeitlichen Perspektive Gottes auf die Welt, aufzulösen. Petrus, der außer Boethius auch Augustins Überlegungen von ratio und Dialektik sehr gut kennt (vgl. das Seminar zu den „Soliloquia“), baut auf diesen Vorüberlegungen auf und führt sie weiter.

Termine

Datum (Wochentag) Zeit Ort
21.10.2021 (Donnerstag) 14:15 - 15:45 01 436 Seminarraum 2
1321 - Naturwissenschaftlich-Medizinischer Bau
28.10.2021 (Donnerstag) 14:15 - 15:45 01 436 Seminarraum 2
1321 - Naturwissenschaftlich-Medizinischer Bau
04.11.2021 (Donnerstag) 14:15 - 15:45 01 436 Seminarraum 2
1321 - Naturwissenschaftlich-Medizinischer Bau
11.11.2021 (Donnerstag) 14:15 - 15:45 01 436 Seminarraum 2
1321 - Naturwissenschaftlich-Medizinischer Bau
18.11.2021 (Donnerstag) 14:15 - 15:45 01 436 Seminarraum 2
1321 - Naturwissenschaftlich-Medizinischer Bau
25.11.2021 (Donnerstag) 14:15 - 15:45 01 436 Seminarraum 2
1321 - Naturwissenschaftlich-Medizinischer Bau
02.12.2021 (Donnerstag) 14:15 - 15:45 01 436 Seminarraum 2
1321 - Naturwissenschaftlich-Medizinischer Bau
09.12.2021 (Donnerstag) 14:15 - 15:45 01 436 Seminarraum 2
1321 - Naturwissenschaftlich-Medizinischer Bau
16.12.2021 (Donnerstag) 14:15 - 15:45 01 436 Seminarraum 2
1321 - Naturwissenschaftlich-Medizinischer Bau
06.01.2022 (Donnerstag) 14:15 - 15:45 01 436 Seminarraum 2
1321 - Naturwissenschaftlich-Medizinischer Bau
13.01.2022 (Donnerstag) 14:15 - 15:45 01 436 Seminarraum 2
1321 - Naturwissenschaftlich-Medizinischer Bau
20.01.2022 (Donnerstag) 14:15 - 15:45 01 436 Seminarraum 2
1321 - Naturwissenschaftlich-Medizinischer Bau
27.01.2022 (Donnerstag) 14:15 - 15:45 01 436 Seminarraum 2
1321 - Naturwissenschaftlich-Medizinischer Bau
03.02.2022 (Donnerstag) 14:15 - 15:45 01 436 Seminarraum 2
1321 - Naturwissenschaftlich-Medizinischer Bau