Aktuelle Lehrveranstaltungen aller Lehrender des Philosophischen Seminars

(V) Einführung in die Ältere Philosophiegeschichte IV: Spätmittelalter – Mystik vs. Scholastik?

Dozent:innen: PD Dr. Dr. Stefan Seit
Kurzname: V ÄPhG
Kurs-Nr.: 05.127.025
Kurstyp: Vorlesung

Voraussetzungen / Organisatorisches

Keine besonderen Voraussetzungen.

Die Veranstaltung ist für Studienanfänger*innen in besonderer Weise geeignet und trägt namentlich den Anforderungen der lehramtsbezogenen Studiengänge Rechnung.

Begleitend und ergänzend zur Vorlesung wird ein Proseminar „Meister Eckhart – Mystiker oder Philosoph? | Seminar zur Vorlesung" angeboten, in dem die Inhalte der Vorlesung vertieft werden. Beide Veranstaltungen können selbstverständlich unabhängig voneinander (erfolgreich) belegt werden; dennoch wird insbesondere Studienanfängern der parallele Besuch von Vorlesung und Seminar empfohlen.

Zur aktiven Teilnahme gehören kurze Übungsaufgaben im Laufe des Semesters, die aufgrund der Vorlesung bzw. der bereitgestellten Materialien bearbeitet werden können. Es handelt sich dabei nicht um eine Prüfungsleistung (Modulprüfung) im Sinn der Prüfungsordnung. Eine Prüfungsanmeldung ist deshalb weder nötig noch möglich.

Empfohlene Literatur

Die behandelten Texte werden den Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Laufe der Veranstaltung zugänglich gemacht.

Inhalt

Von ihren historischen Anfängen an denkt die Philosophie über Sachprobleme (z. B. über die Prinzipien der Natur, die Regulierung menschlichen Handelns usw.) nach, indem sie zugleich ihre eigene Geschichte reflektiert. So nimmt etwa schon Aristoteles bei der Formulierung seiner philosophischen Positionen immer wieder Bezug auf ältere Autoren, deren Lehren wir teilweise sogar nur aus solchen Referaten rekonstruieren können. Die Philosophie des Mittelalters besteht geradezu in einer interpretierenden Aneignung von Positionen antiker Philosophie, wobei dieser Aneignungsprozess zugleich ständig reflektiert wird; für das philosophische Denken insbesondere der Frühen Neuzeit, das sich einerseits aus dem Mittelalter speist, sich im programmatischen Rückbezug auf die Antike aber zugleich von diesem abgrenzt, ist das Nachdenken über die Geschichte der Philosophie insofern schlechterdings fundamental.

Anders als in vielen anderen wissenschaftlichen Disziplinen, die sich auf eine eher beiläufige Behandlung ihrer eigenen Geschichte beschränken oder die Behandlung der Fachgeschichte sogar der spezialisierten Wissenschaftsgeschichtsschreibung im Bereich Geschichtswissenschaft überlassen können, ist deshalb die Philosophiegeschichte – die Auseinandersetzung mit der Philosophiegeschichte – integraler Bestandteil der Philosophie.

Insbesondere für Studienanfänger ergibt sich daraus die Schwierigkeit, dass bei der Beschäftigung mit systematisch-philosophischen Themen oder mit einzelnen Autoren Kenntnisse der Philosophiegeschichte immer schon vorausgesetzt werden (müssen).

Der Vorlesungszyklus, der auf insgesamt vier Semester angelegt ist, versucht dieser Problematik Rechnung zu tragen, indem er – nicht nur Studienanfängern – einen kursorischen Überblick über zentrale Probleme, Personen und Positionen der Philosophiegeschichte von den Anfängen in der griechischen Antike bis in das Spätmittelalter (einschließlich des Übergangs zur Frühen Neuzeit) vermittelt. Dabei geht es darum, den Hörern eine "Landkarte" an die Hand zu geben, mit deren Hilfe sie Spezialthemen, wie sie in den Seminaren diskutiert werden, einordnen können.

Im Sommersemester 2022 liegt der Akzent in historischer Hinsicht auf der Philosophie des lateinisch- Spätmittelalters; insofern die antiken und spätantiken Voraussetzungen breiten Raum einnehmen müssen und werden, eignet sich die Vorlesung als Einführung in die Ältere Philosophiegeschichte überhaupt – über das Spätmittelalter hinaus.
Systematisch wird es uns um ein Thema gehen, dessen Relevanz und Brisanz die Gegenüberstellung von „Mystik" und „Scholastik" nur andeuten kann: Insbesondere Pierre Hadot (1922-2010) hat die Auffassung vertreten, antike Philosophie sei im Kern eine „Lebensweise" oder „Lebenskunst" gewesen, diese existentiell-lebenspraktische Ausrichtung sei jedoch seit der Spätantike immer mehr in den Hintergrund getreten, bis die ‚professionalisierte‘ und zur Universitätswissenschaft verwandelte Philosophie im Hoch- und Spätmittelalter diesen Charakter völlig eingebüßt habe. Auch wenn diese These zutreffen sollte, hat es jedoch auch in Mittelalter und Neuzeit noch immer philosophische (bzw. philosophisch-theologische) „Lebensberatung" gegeben, - und zwar teilweise seitens derselben Personen, die auch „akademische" Philosophie betrieben haben, jedoch in anderen Kontexten und Textgattungen. Meister Eckhart, einerseits „scholastischer" Universitätsgelehrter, andererseits Verfasser teilweise sogar volkssprachlicher Predigten, könnte (abhängig davon, wie man Funktion und Adressaten dieser Predigten bestimmt) dafür ein prominentes Beispiel abgeben. Allerdings ist Vorsicht angebracht: Nicht nur spricht der Prediger durchaus, wenngleich auf andere Weise, von denselben Themen wie der Professor, sondern Meister Eckhart hat sich auch selbst nicht als ‚Mystiker‘ im Sinn einer Gegenposition zur „bloß theoretischen" Schulgelehrsamkeit bezeichnet. Diese Begrifflichkeit und begriffliche Opposition sind vielmehr Produkt einer neuzeitlichen Geschichtskonstruktion, die ihren spezifischen Ort im Kontext der Konfessionalisierung hat und im Horizont des Nationalismus des 19. und 20. Jahrhunderts forciert wurde.

Die angedeutete Problemlage wird uns die Möglichkeit geben, zentrale Fragen und Probleme zu erörtern: Was ist „eigentlich" Philosophie? Wie ist Philosophie im Kontext der mittelalterlichen Universitäten als „Wissenschaft" entstanden? Wie lässt sich das Verhältnis dieser philosophischen Wissenschaft zu anderen universitären Disziplinen, aber auch zur (spät-)antiken Philosophie sowie zur (christlichen) Frömmigkeitspraxis bestimmen? Was ist die Aufgabe der Philosophie, wenn nicht (mehr), den Menschen besser und glücklich zu machen? Wie wird (Philosophie-)Geschichte konstruiert?

Die Vorlesung ist stark quellenbezogen konzipiert, d. h. es wird nicht handbuchartig und in „Merksätzen" über philosophische Autoren und ihre Texte gesprochen werden; vielmehr werden philosophische Kernprobleme und -positionen aus ausgewählten Textauszügen heraus interpretierend entwickelt und entfaltet werden.

In diesem Sinn versteht sich die Vorlesung zugleich als Einführung in die Interpretation philosophischer Texte.

Zusätzliche Informationen

Für Studierende der Katholischen Theologie (Magister/Magistra Theologiae, Modul 5) entsprechen zwei Teile des Vorlesungszyklus (Winter- und Sommersemester) zusammen den Vorlesungen "Die Frage nach der Welt im Ganzen" und "Philosophische Ethik". Es wird erwartet, dass in Modul 5 mindestens einmal das Proseminar zur Vorlesung (als Proseminar oder Übung) belegt wird.

Termine

Datum (Wochentag) Zeit Ort
22.04.2022 (Freitag) 12:15 - 13:45 00 511 N 3
1342 - Naturwissenschaftliches Hörsaalgebäude
29.04.2022 (Freitag) 12:15 - 13:45 00 511 N 3
1342 - Naturwissenschaftliches Hörsaalgebäude
06.05.2022 (Freitag) 12:15 - 13:45 00 511 N 3
1342 - Naturwissenschaftliches Hörsaalgebäude
13.05.2022 (Freitag) 12:15 - 13:45 00 511 N 3
1342 - Naturwissenschaftliches Hörsaalgebäude
20.05.2022 (Freitag) 12:15 - 13:45 00 511 N 3
1342 - Naturwissenschaftliches Hörsaalgebäude
27.05.2022 (Freitag) 12:15 - 13:45 00 511 N 3
1342 - Naturwissenschaftliches Hörsaalgebäude
03.06.2022 (Freitag) 12:15 - 13:45 00 511 N 3
1342 - Naturwissenschaftliches Hörsaalgebäude
10.06.2022 (Freitag) 12:15 - 13:45 00 511 N 3
1342 - Naturwissenschaftliches Hörsaalgebäude
17.06.2022 (Freitag) 12:15 - 13:45 00 511 N 3
1342 - Naturwissenschaftliches Hörsaalgebäude
24.06.2022 (Freitag) 12:15 - 13:45 00 511 N 3
1342 - Naturwissenschaftliches Hörsaalgebäude
01.07.2022 (Freitag) 12:15 - 13:45 00 511 N 3
1342 - Naturwissenschaftliches Hörsaalgebäude
08.07.2022 (Freitag) 12:15 - 13:45 00 511 N 3
1342 - Naturwissenschaftliches Hörsaalgebäude
15.07.2022 (Freitag) 12:15 - 13:45 00 511 N 3
1342 - Naturwissenschaftliches Hörsaalgebäude
22.07.2022 (Freitag) 12:15 - 13:45 00 511 N 3
1342 - Naturwissenschaftliches Hörsaalgebäude