Kurzportrait des Arbeitsbereichs Praktische Philosophie

Der Arbeitsbereich Praktische Philosophie untersucht Phänomene im Umkreis des menschlichen Handelns. Der Bezug zum Handeln liegt dabei bereits im Wort: das griechische Wort »praxis« kann man oft mit »Handlung, Tätigkeit, Verrichtung« übersetzen. Einen Bezug zum Handeln haben insbesondere die  Handlungs- und Entscheidungstheorie, die Ethik, einschließlich der Metaethik und der Angewandten Ethik, aber auch die Politische Philosophie, ebenso wie die Rechts-, Kultur- und Sozialphilosophie.

Beispiele für Fragen, die dabei zum Thema werden, sind: Was ist Handeln? Was ist freies Handeln? Was ist vernünftiges Handeln? Wer hat zu welchem Handeln einen Grund? Wie sollen wir leben? Was sollen wir tun? Was ist moralisch richtig, was moralisch falsch? Gibt es moralische Prinzipien? Für wen gelten sie, wenn es sie gibt, und welchen Status haben sie? Wie können wir in Konflikten entscheiden?

Von besonderer Bedeutung für das Handeln sind die Fragen, die schwierige, oft strittige Anwendungen betreffen: die genetische Veränderung von Lebewesen, Klimawandel, Tierschutz, Artenvielfalt, Sterbehilfe, Selbstbestimmungsrechte, Gleichheit und Gerechtigkeit, und viele andere mehr.

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Ein Schwerpunkt des Arbeitsbereichs Praktische Philosophie der Johannes-Gutenberg-Universität liegt in der allgemeinen Ethik, wobei zum einen den theoretischen Grundlagen der Disziplin, zum anderen verschiedenen praktischen Anwendungen in der Ethik und der Politik besondere Aufmerksamkeit gilt.

Methodisch zeichnet sich der Arbeitsbereich dadurch aus, dass er historische und systematische Betrachtungsweisen seiner Themen in Lehre und Forschung eng miteinander verknüpft. Ein wichtiger Bereich der Forschung, der erst auf diese Weise sichtbar wird, ist die Historizität des Ethischen und der philosophischen Deutungsversuche des Ethischen selbst.

Der Leiter des Arbeitsbereichs ist PD Dr. Mario Brandhorst. Er ist besonders an der Frage interessiert, was es bedeutet, den Menschen und alle Aspekte des ethischen Lebens als Teil der Natur zu sehen. Der Rahmen und zugleich der Gegenstand der Forschung ist eine Form des ethischen Naturalismus, die nicht darauf abzielt, Ethisches auf Natürliches zu reduzieren, sondern dessen Autonomie anerkennt.

Daraus ergibt sich eine naturalistische Perspektive in der Ethik, die bei der Evolutionstheorie ansetzt, dabei Fragen einer möglichen Erklärung stellt und diesen bis zu ihren Grenzen und Berührungspunkten mit verschiedenen, teils ethischen, teils metaethischen Problemen folgt. Wichtig ist, dass dieser Ansatz neben biologischen besonders kulturelle und historische Entwicklungen in die Modelle der Erklärung einbezieht. Er ist insofern wesentlich interdisziplinär und für den Austausch mit den Naturwissenschaften ebenso offen wie für den Austausch mit den Kultur- und Geschichtswissenschaften,  der Psychologie oder der Anthropologie.

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Fragen, die sich angesichts der Perspektive des Naturalismus stellen, sind: Was folgt aus einem solchen Selbstbild für die Theorie der Ethik? Was folgt daraus für das Selbstbild von ethisch Handelnden selbst? Die Folgen reichen von der Normativen bis zur Angewandten Ethik: Was wird aus der Idee Menschenwürde, wenn sie nicht mehr so verstanden werden kann, dass Menschen von Gott ausgezeichnet oder aufgrund ihrer Freiheit über die Natur erhaben sind? Welche Art von Autorität können Ethik und die Theorie der Ethik in Bezug auf unser Handeln haben? Wie gehen wir mit den theoretischen und praktischen Herausforderungen des Relativismus um?

Abbildungen:

Aristoteles (384-322 v. Chr.): Wikimedia Commons

David Hume (1711-1776): Wikimedia Commons

Charles Darwin (1809-1882): Wikimedia Commons

Bernard Williams (1929-2003): Encyclopædia Britannica